Selma Dünner, Registrierung, Judenkartei, 1941

Datum Entstehung
29.03.1941
Herkunft
Privatarchiv Margot Plesser


Beschreibung

Registrierungsbescheinigung (Vorder- und Rückseite) für Personen, die „ganz oder teilweise jüdischen Blutes sind“, ausgegeben durch den Amsterdamer Judenrat (Joodsche Raad voor Amsterdam).

Hier die Bescheinigung der Registrierung von Selma Dünner, der Mutter der Jawne-Schülerin Margot Dünner, ausgestellt am 29. März 1941.

Auf der Vorderseite befindet sich im oberen Teil ein großer blauer Davidstern, sowie ein Text in niederländischer Sprache, auf welchen in blauer Farbe die Signatur von Abraham Asscher, dem Vorsitzenden des Amsterdamer Judenrates, gedruckt ist (siehe Übersetzung unter dem Dokument).

Auf der Rückseite des Dokuments befinden sich die folgenden Personaldaten von Selma Dünner:
Adresse, Name (einschließlich des Zwangsnamens "Sara", der die Identifikation von Juden erleichtern sollte), Geburtsdatum, Geburtsort, letzter Wohnort im Deutschen Reich, Nationalität, Berufsstand, Name des Ehemannes und Anzahl der jüdischen Großeltern. 

Anmerkungen

Am 10. Januar 1941 erging eine "Verordnung des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete über die Meldepflicht von Personen, die ganz oder teilweise jüdischen Blutes sind."
Der von den nationalsozialistischen Besatzungsbehörden eingesetzte Amsterdamer "Judenrat" wurde gezwungen sich an der Registrierung der jüdischen Bevölkerung bzw. am Aufbau einer "Judenkartei" für die Niederlande zu beteiligen. Im Sommer 1941 war die Registrierung weitgehend abgeschlossen; rund 160.000 Menschen "jüdischen Blutes" wurden registriert.

Mehr Information

Über die Verfolgungsgeschichte der Familie Dünner informiert auch ein Video-Interview mit der ehemaligen Jawne-Schülerin Margot Plesser (Tochter von Selma und Lasar Dünner), das sich unter www.leftovers.eu anschauen lässt.

Der Amsterdamer Judenrat

Der Amsterdamer Judenrat (Joodse Raadwar eine zu Beginn des Jahres 1941 durch die deutschen Besatzer geschaffene Institution, welche der jüdischen Bevölkerung zunächst so etwas wie eine jüdische Autonomie, bzw. "Selbstverwaltung" vorgaukeln sollte.
Geleitet wurde der "Rat" von David Cohen und Abraham Asscher, dem Eigentümer und Direktor einer weltbekannten Firma für Diamantenhandel und Diamantenschleiferei. Beide waren prominente Vertreter der niederländischen, zionistischen Bewegung und in verschiedenen jüdischen Komitees und Ausschüssen tätig. David Cohen zum Beispiel engagierte sich nach 1933 stark für die aus Deutschland stammenden jüdischen Flüchtlinge die in die Niederlande geflohen waren. 

Abraham Asscher und David Cohen glaubten durch so genannte "Freistellungen", welche sie für Einzelne beantragen konnten und durch Kooperation mit den Nazi-Behörden, Juden vor der Deportation retten zu können. Abgesehen von Einzelfällen, in denen ein Aufschub erwirkt werden konnte, gelang ihnen dies jedoch nicht.

Nachdem nahezu alle niederländischen Juden deportiert waren, wurden im September 1943 auch Abraham Asscher nach Bergen Belsen und David Cohen nach Theresienstadt verschleppt. Beide überlebten und wurden nach ihrer Rückkehr in die Niederlande wegen Kollaboration mit den deutschen Besatzern angeklagt. Die Verfahren wurden 1947 jedoch eingestellt. 
Die widersprüchliche Rolle und das Handeln der Judenräte, die es auch in anderen von den Nazis besetzten Ländern und Städten und in vielen Ghettos gab, werden auch heute noch sehr kontrovers diskutiert.

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Übersetzung

MELDEBESCHEINIGUNG
gemäß Artikel 9, Absatz 1, der Verordnung Nr. 6/1941 des Reichskommissars für das besetzte niederländische Gebiet, bezüglich der Meldepflicht von Personen, die ganz oder teilweise jüdischen Blutes sind.

JUDENRAT AMSTERDAM
Der Unterzeichnende, Meldebeauftragte, erklärt, dass die auf der Rückseite angegebene Person, aufgenommen in das Melderegister dieser Gemeinde, die Verpflichtung zur Meldung laut der obengenannten Verordnung erfüllt.

Ausgestellt am 29. MÄRZ 1941
In Gemeinde AMSTERDAM

Der Bürgermeister (durchgestrichen)
für den Bürgermeister, die Verwaltungsabteilung
Bevölkerungsregister und Wahlen (daneben eine gedruckte Signatur)

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