Austauschaktion 1944, Radiogramm, (London - New York)
Beschreibung
Radiogramm (über Funk übermitteltes Telregramm) vom 16. Juli 1944 von Theodor Goldschmidt aus London an Joseph Onderwyzer in New York City mit dem Text:
PARENTS SALLY ALICE ARRIVED PALESTINE
= THEODOR GOLDSCHMIDT
Darunter handschriftliche Notiz: ontvangen July 16th 1944
Der sehr kurze Text des Telegramms bestätigt die Ankunft von Lasar, Selma, Sally und Alice Dünner in Palästina im Zusammenhang mit dem Austausch von zivilen jüdischen Internierten aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen gegen sogenannte "Auslandsdeutsche", die in Palästina lebten. Die Austausch-Aktion wurde später unter dem Namen Transport 222 bekannt.
Anmerkungen
Der Absender Theodor Goldschmidt ist der Ehemann von Betty Goldschmidt, Tochter von Selma und Lasar Dünner, die bereits 1933 nach London emigrierte. Der Empfänger Joseph Onderwyzer ist der Ehemann von Rosa Onderwyzer, ebenfalls eine Tochter von Selma und Lasar Dünner, die in den USA bzw. New York City lebte.
Die an der Austausch-Aktion beteiligten Kinder des Ehepaars Dünner, Sally und Alice, besuchten in Köln beide die jüdische Grundschule Moriah, Sally war auch Schüler der Jawne.
Drei der im Zusammenhang mit der Austauschaktion versendeten Radiogramme sind erhalten und befinden sich im Besitz von Margot Plesser (geb. Dünner) in Jerusalem.
Mehr Information
Weiter Informationen liefert ein von Wolfgang Richter im Jahr 2012 geführtes Video-Interview mit Margot Plesser (Tochter von Selma und Lasar Dünner), welches sich unter www.leftovers.eu anschauen lässt (Kapitel DER AUSTAUSCH - Ein Rolltext am Ende des Video-Clips liefert Detail-Informationen).
Transport 222
Das im Juli 1944 gesendete Radiogramm steht in direktem Zusammenhang mit dem sogenannten "Transport 222", einer der nur sehr wenigen zustande gekommenen Austausch-Aktionen, die es einigen im Konzentrationslager Bergen-Belsen internierten Jüdinnen und Juden erlaubte den nationalsozialistischen Machtbereich zu verlassen.
Der Begriff "Transport 222" irritiert bzw. ist, wenn es um die Anzahl der bei dieser Aktion tatsächlich nach Palästina ausgetauschten Menschen geht, nicht ganz korrekt. Zwar konnten 222 Menschen am 29. Juni 1944 das Lager in Bergen Belsen verlassen; in Wien wurden jedoch 61 weitere Häftlinge aus den Lagern Vittel (50 Häftlinge) und Laufen (11 Häftlinge) der Gruppe hinzugefügt.
Die nun aus 283 Personen bestehende Gruppe reiste zunächst weiter nach Istanbul, wurde am 06. Juli 1944 bei Meidan Ekbes an der syrisch-türkischen Grenze gegen eine Gruppe von 115 sogenannten "Reichsdeutschen" ausgetauscht und erreichte am 10. Juli 1944 schließlich den Boden des britischen Mandatsgebietes Palästina.
Bei der Gruppe der "reichsdeutschen" Personen handelte es sich um Mitglieder der aus Süddeutschland stammenden religiösen bzw. christlichen Gemeinschaft der "Templer", die im Mandatsgebiet Palästina verschiedene Siedlungen betrieb und in deren Reihen sich zahllose Mitglieder der NSDAP-Auslandsorganisation befanden.
Andere Personen aus der deutschen Austauschgruppe stammten ursprünglich aus Südafrika und Süd-Rhodesien und waren zwischenzeitlich als Zivilinternierte in einem von der britischen Mandatsmacht eingerichteten Lager bei Atlit in Palästina interniert.
Die Geschichte des sogenannten "Transport 222" ist in Deutschland nicht sehr bekannt; in Israel sind verschiedene Bücher und Berichte von Teilnehmer*innen der Austausch-Aktion erschienen.
Ausführlichere Informationen und Hintergründe zu der Austausch-Aktion finden sich bei: Alexandra-Eileen Wenck, Zwischen Menschenhandel und "Endlösung" - das Konzentrationslager Bergen-Belsen, Schöningh Verlag, 2000, Seiten 220 – 228. Details, Zahlen und Orte zum eigentlichen Austausch, insbesondere Seite 226.